Bern, April 2020
So lautete der Titel einer Ausstellung im Kunstmuseum Bern, die ich zusammen mit meinen Kindern und lieben Freunden anlässlich unserer Neujahrs-Wunsch-Reise 2019* besuchte.
Das ist ja so etwas von klar, sagen Sie? Dass wir nie die ganze Geschichte kennen? Immer nur Ausschnitte sehen und oft die genauen Begleitumstände nicht kennen?
Doch diente mir das «You never know the whole story”-Prinzip letztlich unerwartet und auf eine mir neue Weise. Eine meiner Töchter war diverse Male nicht daran interessiert, den Unterrichtsstoff richtig zu begreifen, sondern gab sich mit dem blossen Erledigen der Aufgaben zufrieden. Oje, dachte ich, was kann ich dazu beitragen, dass sie die Wichtigkeit des Verstehens von Prinzipien und so erkennt? Was ist, wenn sie das nie versteht und dabeibleibt, etwas möglichst rasch zu erledigen? Zum Ärger gesellten sich Zweifel und Sorgen. Was meine Zuversicht und mein Wissen um die menschliche Weiterentwicklung vernebelte, meine Stimmung sank. Dann änderte sich die Situation schlagartig. «You never know the whole story” las ich auf einem Bild in meiner Wohnung und plötzlich verstand ich dieses Prinzip in seiner zeitlichen Bedeutung. Wie war das in meiner Jugend und Kindheit? Habe ich immer alles sofort begriffen? Ganz und gar nicht, manchmal dauerte es Jahre, bis ich wirklich etwas verstanden habe oder es mir gelang, eine Kompetenz aufzubauen. Also langsam bleiben. Mein Geist wurde wieder klar und ich entspannte mich. Auch wenn meine Kinder mir immer wieder Frechheiten an den Kopf werfen oder beim Homeschooling meine gründlichen Erklärungen verschmähen, ist das nicht das Ende der Geschichte. Die Geschichte geht weiter, ist sich erst am Schreiben. Nun zu Ihnen. Mögen Sie sich vorstellen, wie Ihnen «You never know the whole story» Geduld beschert, wenn Sie dem Lernenden zum vierten Mal erklären müssen, was er Ihrer Meinung nach schon nach dem ersten Mal hätte umsetzen sollen? Vielleicht ermöglicht es Ihnen auch frühzeitig aus einem nichtigen Konflikt auszusteigen, weil Ihnen klar ist, dass es nur ein vorübergehender Moment ist, der früher oder später einer gelösten Situation weichen wird? So wünsche ich Ihnen und mir, dass wir der Geschichte ihren Lauf lassen.
*Möchten Sie mit Ihren Kindern, Freunden oder Mitarbeitenden auch mal eine Neujahrs-Wunsch-Reise machen? Unter dem Beitrag ‘Die Neujahrs-Wunsch-Reise oder wie die Gotthardpost mein Leben veränderte’ finden Sie Anregungen dafür.
© Nicole Gilgen, lic. phil, Fachpsychologin für Coaching-Psychologie FSP.