Bern, August 2020
Nachdem wir das Jahr 2014 auf den Skipisten vom beschaulichen Linden gefühlt mit Tausenden von anderen Familien begonnen hatten, flog mir die Idee einer Neujahrs-Wunsch-Reise zu. In der Altjahrswoche 2014 nahm die Idee dann Gestalt an und ich informierte meine Familie, dass wir am 1. Januar 2015 einen Überraschungs-Ausflug machen. Niemand ausser mir, nicht einmal mein Mann, wusste, was auf uns zukommt.
Die Kinder waren damals achteinhalb und fünfeinhalb Jahre alt. Liebend gerne gingen sie ins Naturhistorische oder Museum für Kommunikation. Dort konnten sie Felle in Kisten erfühlen und erraten, zu welchem Tier das Fell gehört. Oder in einem alten Passfotoautomaten Gefühle wie Ekel, Wut, Freude oder Überraschung auf ihren Gesichtern fotografieren lassen. Unsere Reise sollte uns ins Kunsthaus Zürich führen. Dort, so meine Vorstellung, würden wir unsere Wünsche für das neue Jahr suchen gehen. Wie werden das die Kinder finden? Kunst, v.a. die bildnerische, darf in der Regel nicht berührt werden. Wie kann ich die Reise kindertauglich gestalten?
Ich begann die Reise zu etappieren. Für jede Etappe dachte ich mir eine spielerische Aktivität aus, von der ich annahm, dass sie den Kids Spass macht. Zudem schrieb ich pro Etappe ein Briefchen, welches die ältere Tochter uns vorlesen konnte. Im Bahnhof Bern z.B. mussten die Kinder herausfinden, wohin wir fahren. Sie wussten lediglich die genaue Abfahrtszeit des Zuges. Sie liebten es, sich einen Reiseproviant in einem Take away auszuwählen. Und auf der Zugfahrt zeichneten und schrieben wir unsere Wünsche für das neue Jahr auf. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich nicht mehr so genau weiss was wir uns wünschten – das ist schamlos übertrieben, ich weiss es nicht mehr! Im Kunsthaus Zürich teilten wir uns auf. Je ein Kind und ein Elternteil zogen los, um in der Ausstellung nach den eigenen Wünschen Ausschau zu halten. Anschliessend wollten wir uns wieder treffen und uns gegenseitig unsere Wünsche zeigen und erzählen.
Ich sage Ihnen, wir alle hatten grossen Spass und die Kinder fanden es keine Sekunde langweilig. Entscheidend dafür war mutmasslich, dass wir den weit verbreiteten andächtigen Museumsschritt links liegen liessen und stattdessen leichtfüssig durch die heiligen Hallen flitzten. Wir verweilten nur dort, wo es uns gefiel. Egal, ob das jetzt auf einer Treppe, vor einem Fenster oder einem Bild war.
Seither liebe ich es, durch Museen zu sausen!
Im Übrigen erinnere ich mich – eben nicht an den Wunsch – doch an das Bild, auf dem ich meinen Wunsch gefunden habe: Die Gotthardpost von Robert Koller, ein Schweizer Maler, aus dem Jahre 1873. Ein Bild, das mich sofort in seinen Bann zog und noch immer tut. Diese Lebendigkeit und unbändige Kraft der Pferde lassen mich meine Lebendigkeit und Kräfte spüren. Manchmal, wenn ich mich müde und energielos fühle, tauchen die Pferde auf meiner inneren Leinwand auf. Ich liebe es, wenn sich alsbald ein warmes Gefühl in meinem Bauch ausbreitet und mich daran erinnert, dass mich meine Kräfte nicht für immer verlassen haben. Und noch mehr liebe ich es, wenn mir – das ist ganz neu – die Pferde die Tore zu meiner Kraft in Momenten der Mutlosigkeit und Mattheit öffnen.
Also, vielleicht konnte ich Ihre Neugierde wecken und Sie machen schon bald Ihre eigene (Neujahrs-)Wunsch-Reise. Mit oder ohne Kinder. Alleine oder in Begleitung. Doch mit dem Risiko, dass Sie sich Jahre später nicht mehr an Ihren Wunsch erinnern, dafür ein Bild oder eine Skulptur für immer etwas in Ihnen verändert hat. Und das wäre wirklich etwas Grossartiges, so finde ich.
© Nicole Gilgen, lic. phil, Fachpsychologin für Coaching-Psychologie FSP