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  • «Be your own person and be independent»

    «My mother told me to be a lady. For her, that meant to be your own person, be independent. ». Das steht auf der Teetasse, die vor mir steht. Gesagt hat das Ruth Bader Ginsburg, Juristin und seit 1993 Richterin am obersten Gerichtshof Amerikas.

    Wenn ich sagen müsste, was ich meinen Klientinnen und Klienten – und an erster Stelle meinen Töchtern – vermitteln möchte, ist es exakt das, was Ruth Bader Ginsburg von ihrer Mutter mitbekommen hat: Seien Sie sich selbst und bleiben Sie unabhängig.

    Wunderbar und schön fühlt es sich an, wenn wir entspannt inmitten lieber Menschen, unverstellt sein können, wer wir sind. Hier holen wir uns Stärkung und Mut.
    Für Situationen, in denen unsere Handlungen von anderen in Frage gestellt werden; in denen wir uns angegriffen fühlen.

    An einer Sitzung sagen Sie etwas. Verstohlen werfen sich die Anderen Blicke zu, schweigen und warten, bis jemand anderes das Wort ergreift und die Diskussion weitergeht, als wäre sie nie ins Stocken geraten. Noch nie erlebt, sagen Sie?

    Haben Sie jemals Ihrem Vorgesetzten widersprochen, während Ihre Kollegen sich in Schweigen hüllten, obwohl Sie genau wussten, dass auch sie nicht einverstanden waren?

    Oder wurden bei einer Meinungsverschiedenheit persönlich angegriffen – «Das ist billig, so zu argumentieren!»?

    Mussten Sie vielleicht schon eine unpopuläre Entscheidung treffen, die Ihnen schwerfiel und womit Sie auf Unmut und Unverständnis Ihrer Mitarbeitenden stiessen und fürchteten, damit als Hardlinerin zu gelten? Und siehe da, einige Tage verstummten die Gespräche, sobald Sie auftauchten und Ihre Teamsitzungen verliefen angestrengt und stille Vorwürfe sowie spitze Bemerkungen gingen Hand in Hand?

    Nicht immer muss es so hart zu und her gehen. Nur schon einfache Kritik, Vorwürfe kosten uns Kraft, wenn mit ihnen konfrontiert und können Ängste, Wut und Scham oder andere unangenehme Emotionen auslösen.

    Was tun, wenn wir uns unverstanden, angegriffen oder beschämt fühlen? So tun, als wäre nichts gewesen? Beschämt schweigen, uns zurückziehen und alles daransetzen, dass uns das nie mehr passiert? Oder aufmüpfig zum Gegenschlag ausholen und das Gegenüber mit einem früheren Fehler konfrontieren?

    Oder aber Sie bleiben einfach stehen. Halten die Gefühle in Ihrem Inneren aus. Sehen der Scham zu, wie sie still in der Ecke sitzt, während die Wut um sich schlägt und die Angst, ausgeschlossen zu werden, aufblitzt. Dieser Gefühls-Aufruhr oder andere Gefühle vergehen, wie sie gekommen sind. Vielleicht müssen Sie einmal oder mehrmals darüber schlafen.

    Dann wird auf einmal möglich, was Sie vorher nie gewagt haben. Sie fragen z.B. nach, wenn die Kolleginnen zu schweigen beginnen. Und begegnen deren Beharrlichkeit mit einem «Das ist nicht okay, wenn Ihr auf meine Frage nichts sagt. Dagegen habe ich etwas.». Und fragen sie erneut, bis sie sich erklären. Und den Unmut der Mitarbeitenden sprechen Sie direkt an, möglicherweise ergibt sich sogar ein gutes Gespräch daraus.

    Vor einigen Monaten beeindruckte mich eine Klientin. Sie hatte eine Leitungsstelle inne und obschon das Pflichtenheft ihr Entscheidungskompetenz einräumte, wurde sie regelmässig von der Geschäftsführerin zurückgepfiffen, sobald sie eine Entscheidung traf. Bei mir im Coaching konnte sie sich eingestehen, dass sie an der falschen Stelle sei. Und trotz Furcht, mit Mitte Fünfzig keine gute Stelle mehr zu finden, wagte sie den Schritt aus dem gemachten, doch zu engen Nest und begab sich auf Stellensuche. Sie wurde belohnt. Nach drei Monaten fand sie eine neue Leitungsstelle.

    Ich bin ein grosser Fan von Ruth Bader Ginsburg und davon, sich selbst zu sein und zu sich zu stehen.

    © Nicole Gilgen, lic. phil, Fachpsychologin für Coaching-Psychologie FSP

     

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